Thema des Tages: Ein gestörter Polarwirbel ist nicht alles


Datum 16.11.2025



Im heutigen Thema des Tages werden einige treibende Kräfte dieses Winters betrachtet. Zudem soll ein kleiner Einblick in die Komplexität des notwendigen Zusammenspiels verschiedener Parameter gegeben werden, um wenigstens ansatzweise eine Trendabschätzung der weiteren Entwicklung geben zu können.

Wie so oft zu dieser Jahreszeit richten einige Meteorologen ihre Blicke nach oben. „Nichts Ungewöhnliches!“ möchten Sie sagen? Das stimmt! Gemeint ist aber „ganz weit nach oben“. Im Mittelpunkt stehen die Stratosphäre und besonders der sich alljährlich zur Winterzeit etablierende Polarwirbel. Leider wird dessen Intensität (und besonders seine Schwächephase) jedes Jahr immer wieder in diversen Presseartikeln mit unweigerlich drohenden Schneestürmen und klirrender Kälte in Verbindung gebracht. Doch ist das alles auch wirklich so einfach?

Zunächst stellen wir einige treibende Kräfte vor, betrachten deren Istzustand sowie ihre weitere Entwicklung im subsaisonalen Vorhersagebereich - also drei bis sechs Wochen in der Zukunft. Dies ist nur ein flüchtiger Blick in die Thematik der subsaisonalen Vorhersage und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch dürfte dieser oberflächliche Blick die Komplexität des Themas bereits hervorheben.

Polarwirbel in der Stratosphäre [englisch: stratospheric polar vortex (SPV)]:
Erklärung: Thema des Tages 29.12.2023 und Thema des Tages 20.07.2022

Bild 1: Der zonal gemittelte Zonalwind in 10 hPa bei 60 Grad Nord. (Quelle www.ecmwf.int)

Bild 1: Der zonal gemittelte Zonalwind in 10 hPa bei 60 Grad Nord.

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In Bild_1 zeigt die dicke blaue Linie das Mittel des Ensembles vom ECMWF (IFS-ENS) sowie in rot das Mittel der Hintergrundklimatologie des Modells. Dem SPV steht zum Ende dieses Novembers also eine erhebliche Abschwächung bevor, die durch planetare Wellen angetrieben wird. Diese brechen sich in der Stratosphäre (wie Wellen am Strand) und schwächen den aus westlicher Richtung wehenden Polarwirbel mit der Zeit ab. Die Abschwächung erfolgt umso effektiver, je länger diese Störungen andauern. Dies geht teilweise bis hin zur Windumkehr eines „major warmings“, wobei die Wahrscheinlichkeit einer Windumkehr bei diesem Ereignis mittlerweile etwas zurückgegangen ist. Eine schöne Skizze diesbezüglich wurde von den Kollegen der NOAA erstellt.

Bild 2: Störung des Polarwirbels in der Stratosphäre und Auswirkung auf die Troposphäre. (Quelle NOAA Climate.gov)

Bild 2: Wie eine Störung des Polarwirbels in der Stratosphäre die Troposphäre erreichen kann.

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Die Vorhersage des ECMWF deutet in der Folge eine sukzessive Regeneration des SPV an, allerdings bis auf Weiteres unter dem Klimamittel verlaufend, was auf einen vorerst noch schwächelnden Polarwirbel hindeutet. Das amerikanische Wettermodell der NOAA hebt aus heutiger Sicht gar eine noch länger anhaltende und kräftigere Schwächephase des SPV bis weit in den Dezember hervor. Wie sich im Verlauf der kommenden Wochen die störenden Einflüsse aus der Troposphäre auf den SPV auswirken ist noch sehr unsicher und wird innerhalb der Numerik nur schwer erfasst. Daher sind weitere Überraschungen bezüglich der Intensität des SPV innerhalb der kommenden Wochen nicht ausgeschlossen.

Polarwirbel in der Troposphäre [englisch: tropospheric polar vortex (TPV)]:
Erklärung der zweideutigen Bedeutung dieses Begriffs: Thema des Tages 20.02.2023

Der TPV besteht im Gegensatz zum SPV nicht aus einem zusammenhängenden Starkwindband, sondern setzt sich eher aus unterschiedlich großen planetaren Wellen mit variabler Anzahl zusammen (mit Blick auf die Nordhemisphäre). Diese Wellen verlagern sich (oder auch nicht) entlang des Jet streams (bzw.wave guide“) und heben ein deutlich variableres Verhalten im Vergleich zum SPV hervor.

Wichtig ist, dass bei einer Veränderung des SPV die Erwärmung aus der oberen Stratosphäre auch in Richtung Troposphäre gebracht wird, was jedoch bei Weitem nicht immer gewährleistet ist. Einem schwachen SPV kann ein kräftiger TPV und umgekehrt gegenüberstehen. Dieser Informationstransfer steht weiter im Fokus der Forschung. Aktuell deuten die Vorhersagen an, dass die Erwärmung inklusiver einer Windabschwächung recht zügig in Richtung untere Stratosphäre vorankommen könnte, was besonders bei einem „major warming“ der Fall wäre. Diese Entwicklung birgt aktuell das größte Potenzial für kalte Überraschungen im Bereich der subsaisonalen Vorhersage.

Quasi-Biennial Oszillation (QBO):
Erklärung: Thema des Tages 04.09.2021

Bild 3: Darstellung der aktuellen QBO-Phase. (Quelle National Aeronautics and Space Administration, Goddard Space Flight Center)

Bild 3: Darstellung der aktuellen QBO-Phase.

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Statistisch gesehen wirkt sich die periodisch wechselnde und sich nun in der östlichen Phase befindende QBO abschwächend auf den SPV aus, was wiederum die Wahrscheinlichkeit für gestörte Phasen des SPV im Verlauf dieses Winters grundsätzlich erhöht.

Bild 4: SST Abweichungen von der ESA SST CCI Klimatologie (Quelle Met Office (OSTIA))

Bild 4: SST Abweichungen von der ESA SST CCI Klimatologie

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Beim Blick auf die Anomalien der Wasseroberflächentemperaturen rund um Europa fallen beinahe durchweg positiven Anomaliewerte von 0.5 bis 2, lokal bis über 3 Kelvin ins Auge. Arktische Luftmassen, die nun südwärts über diese Wasserflächen geführt werden, können wenigstens in den unteren Bereichen stark modifiziert (sprich: erwärmt) werden. Bei einer aktuell unter dem Interdezilbereich (also zwischen dem 10. und 90. Perzentil der Datenmenge) verlaufenden Meereisverteilung ist auch ausreichend Meeresoberfläche für eine nachhaltige thermische Änderung der einst so eisigen Luftmasse vorhanden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die positiven Anomalien der Wassertemperaturen z.B. auf die regionale Druckverteilung, Aktivität der Konvektion, Lage und Intensität der Jets etc. auswirken können. Dies sät weitere Unsicherheiten in ansonsten bekannten Mustern der Ausbreitung von planetaren Wellen.

El-Nino Southern Oszillation (ENSO) und Madden-Julian-Oszillation (MJO):
Erklärung ENSO: Beschreibung der ENSO(DWD)(siehe "Weitere Informationen zum Thema")
Erklärung MJO: Thema des Tages 06.09.2015

Bild 5: Entwicklung der ENSO (Quelle Copernicus (C3S multi-system SST indices))

Bild 5: Entwicklung der ENSO

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Bild 6: Entwicklung der MJO (Quelle www.ecmwf.int)

Bild 6: Entwicklung der MJO

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Ein wichtiger Baustein ist auch die niederfrequente ENSO (Bild_5) im Pazifik, die aktuell im La Nina Zustand verweilt, wenngleich nur im Bereich einer schwachen La Nina mit bereits vom La Nina Zustand abweichenden Bedingungen in der oberen Troposphäre. Eine allmähliche Abschwächung der kalten ENSO ist ab dem Jahreswechsel zu erwarten. Auf den SPV wirkt sich eine kalten

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